Es gibt wohl kaum ein Kind, das nicht den Text des alten Seemannsliedes kennt: Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord. Ein Wunder also, dass Madagaskar als exotisch und abenteuerlich in den Hinterköpfen auch grosser Leute herumspukt, denn viel mehr als diese Liedzeile und vielleicht das Wissen, dass Madagaskar rund 400 Kilometer vor der Ostküste Afrikas im Indischen Ozean liegt, weiss der Durchschnittsbürger nicht. Wahrlich keine Wunder.
In den Zeiten mächtiger Jumbo-Jets, die Millionen Touristen rund um die Welt an die begehrtesten Sonnenstrände unseres Globus bringen, ist Madagaskar eines der wenigen, wirklich unberührten Naturparadiese geblieben. Das ist für die Einwohner Madagaskars nichts Neues. Ihre Insel, die immerhin fast so gross wie Frankreich ist, lag schon immer etwas abseits. Dazu kam die Tatsache, dass die Regierung nach Erringung der Unabhängigkeit einen regiden Abschottungskurs fuhr. Einreisevisa wurden kaum erteilt, und so blieben die Insel und ihre Menschen relativ isoliert. Das hat sich in den letzten Jahren merklich gebessert. Doch Massentourismus ist bis heute nicht gewollt.
Das grosse Glück für all jene, die auf mehr oder minder individuellen Pfaden auf der Insel reisen und sich von ihrer Natur, der exotischen Kultur und der faszinierenden Ausstrahlung ihrer Menschen gefangen nehmen lassen. Die Abgeschiedenheit ihrer Insel von den grossen Strassen des Welthandels und des Tourismus hat neben manchem Vorteil für die Menschen auch einen hohen Preis. Madagaskar gehört zu den ärmsten Ländern der Erde. Das Lebensniveau ist unbeschreiblich niedrig, was in den wenigen grösseren Städten nicht zu übersehen ist. Die Landbevölkerung hat es da etwas leichter. Sie ist zwar ebenfalls bitterarm, doch da die alten Strukturen der Grossfamilien und der autarken Versorgung grösstenteils noch völlig intakt sind, bleibt zumindest der schlimmste Hunger vor der Tür. Trotz ihrer Armut sind die Menschen stolz und nicht unzufrieden. Fremde sind willkommen, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil sie selten sind, und werden mit natürlicher, unverfälschter Gastfreundschaft empfangen.